Chantal Frei


Chantal Frei’s Aussage

Chantal Frei (52) hat im Alter von 3 bis 49 Jahren rituelle Gewalt in der Schweiz (u.a.) erlebt. Frei macht in diesem Video Hoffnung: «Man kann aussteigen.»


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Wie oder durch wen bist Du in Kontakt gekommen mit ritueller Gewalt?

Bei mir war das so, dass ich in einer Kultfamilie aufgewachsen bin. Das heißt, meine Kulteltern waren Satanisten, so auch meine Großeltern beidseits, und auch gewisse andere Leute, die in meiner Verwandschaft waren. Und zudem wuchs ich in einem Quartier auf mit einer Sekte zusammen. Die hieß „les adorateurs du soleil“ („die Sonnenanbeter“) und gewisse Menschen von dieser Sekte waren eben auch im Kult drinnen. Und so war ich dann eingebettet in diesen Kultkreisen. Aus dieser Sekte waren gewisse Lehrer dann auch meine Lehrer, und auch die Nachbarn waren zum Teil in diesem Kult.

Wo und in welchem Rahmen hat das stattgefunden?

Ich sage, ich habe ein Tagleben und ein Nachtleben gehabt. Also am Tag habe ich so ein normales Leben wie viele Kinder, Jugendliche oder Erwachsene auch gehabt. Ich bin als Kind normal, ziemlich normal, in die Schule gegangen und später dann auch Ausbildung gemacht, geheiratet und Familie gehabt… Ich hatte auch noch ein anderes Leben, ein Parallelleben und ich wurde als Kind vor allem durch meinen Kultvater mitgenommen an satanische Rituale, die wir dann gefeiert haben. Das war dann immer verbunden mit sexuellem Missbrauch von mir aber auch von anderen Kindern. Mit Folter… Dann waren wir in Kellern in Käfigen eingesperrt, bis wir dann dran gekommen sind, je nach Ritual halt. Da gab es auch Rituale, wo die Leute Satan angebetet haben und auch Geister und Dämonen gerufen haben. Dann haben sie manchmal ihrem Gott, den sie Satan nannten, auch Opfer gebracht, auch mal in Form von einem Kind, einem Baby oder einer erwachsenen Person. Da habe ich die ersten Erfahrungen mit Kannibalismus gemacht. Bei der ersten Erinnerung war ich ungefähr neun oder zehn, weil, wie ich sagte, waren gewisse Nachbarn im Kult involviert und der eine Nachbar hatte mich mal dazugeholt zu einem Mädchen welches tot in seiner Wohnung lag. Ich weiß nicht, ob er sie getötet hat oder nicht. Ich wurde aufgefordert, Fleisch von diesem toten Mädchen zu essen. Das waren Erfahrungen… Als ich dann älter wurde, wurde ich an verschiedene Kreise verkauft oder ausgeliehen, das weiß ich nicht ganz genau. Ich habe es nicht nur im Kreise der Familie oder Nachbarschaft erlebt, sondern eben auch im Ausland. Ich wurde an verschiedene Netzwerke mit mafia-ähnlichen Strukturen weitergegeben, bin dann auch ins Ausland gekommen, musste in den allermeisten Fällen sexuell dienen und habe im Zuge dessen auch prominente Leute getroffen, immer wieder mal und dies in verschiedenen Ländern. Menschen, die wir heute noch im Fernsehen oder in der Politik sehen, das war eingentlich gang und gäbe…

Wie bringen Täter die Kinder dazu, sich zu fügen?

Es hat einfach gar keine andere Wahl gegeben. Man muss tun, was die Eltern oder die Täter sagen. Die andere Wahl ist dann der Tod. Entweder man macht mit und man überlebt oder man muss sterben. Eine andere Lösung oder Wahl sieht man gar nicht, wenn man Kind ist. Dann wurden sehr oft auch Drogen eingesetzt, damit man gefügig wird. Ich erinnere mich, manchmal einen süßen Sirup bekommen zu haben, der mich sehr träge und sehr müde gemacht hat. Manchmal waren es auch andere Drogen, damit ich auch gar nicht mehr wusste, wohin ich geführt wurde. Da habe ich keine Ahnung, wie ich von A nach B gekommen bin. In vielen Fällen, nicht in allen, aber in vielen Fällen. Das war auch durch Drogen gewesen, die einen so eingestellt haben. Manchmal war man wach, manchmal nur halb wach, manchmal hat man geschlafen. Die haben einen so eingestellt, damit man genau das macht, wofür dann das Programm war an diesem Tag, zum Beispiel. Was sie eben auch machen, ist, dass durch diese wiederholte Folter und Missbrauch verschiedene Persönlichkeitsanteile entstehen. Und das passiert zum Teil einfach spontan, Weil der Schmerz so stark ist, dass man wie aus dem Körper geht, und einen anderen Anteil kreiert, der einem dann hilft, diese Situation zu überleben. Das wissen die Täter und manchmal nehmen sie einen Anteil, den sie dann programmieren also formen oder erziehen, wie man das auch sagen will. Das ist die Strategie, würde ich sagen, welche die Täter haben, um die Kinder gefügig zu machen. Man muss sich vorstellen, diese Persönlichkeitsanteile sind wie zwanzig Personen in einer Person drinnen, aber diese Personen kennen sich nicht untereinander. Die haben verschiedene Aufgaben, verschiedene Alter, verschiedene Kulturen und dann ist der eine dann einfach gefügig. Und so wird man eben trainiert.

Was war Deine schlimmste Erfahrung?

Die schlimmste Erfahrung? Das kann man irgendwie gar nicht sagen… Weil es ist alles total schlimm. Aber am meisten Mühe zu verarbeiten hatte ich, wenn es um Emotionen oder Verbindungen zu anderen Menschen geht. Da möchte ich zwei Sachen erzählen: Das eine hatte mit einem Mädchen zu tun. Ihr Name war Gabriela. Ich weiß nicht, ob es ihr richtiger Name ist. Es wurde so gesagt. Ich habe dieses Mädchen im Kult kennengelernt. Wir haben uns ein wenig angenähert und Trost gespendet. Der Kult hat das auch zugelassen. Es entstand eine kleine Verbindung, Freundschaft zwischen ihr und mir. Dann eines Tages wurden wir im Wald gejagt. Wir waren nackt, wir wurden gejagt, auf uns wurde geschossen. Schlussendlich wurden wir von einem Täter eingeholt und ich bekam eine Pistole in die Hand und musste Gabriela töten. Es hat sehr lange gedauert, bis sie gestorben ist. Ich wurde an einen Baum gebunden und musste zuschauen, bis sie gestorben ist. Das finde ich ganz schlimm, weil ich da die Emotionen, die Verbindung zu Gabriela hatte. Ja, das machen sie kaputt… Ich bin mit Geschwistern groß geworden in dieser Kultfamilie und da sollte ich die eine Schwester umbringen, das hatte mein Kultvater so angeordnet und ich habe ihm dann auch gehorcht. Meine Schwester wurde ganz, ganz schwer lebensbedrohlich verletzt. Sie hat überlebt, Gott sei Dank! Aber das ist auch ganz, ganz schwer zu verarbeiten und ich würde sagen, das gehört zu meinen schlimmsten Erfahrungen.

Hast Du zum Abschluss noch ein persönliches Anliegen bzw. eine Botschaft?

Ja unbedingt! Und zwar will ich aufrufen! Wenn irgendjemand von solchen schrecklichen Dingen erzählt, soll man hinhören, zuschauen, sich Zeit nehmen für diese Menschen. Das, was sie erzählen, stimmt! Auch wenn es fast unmöglich klingt. Diese Dinge, die wir da erlebt haben, sind manchmal unvorstellbar und es ist so schwierig, es zu erzählen. Wir brauchen Hilfe! Die Betroffenen, die den Ausstieg noch nicht geschafft haben aus diesen Kulten, brauchen wirklich Ihre Hilfe. Ich möchte aufrufen: Bitte, bitte, hört zu, steht auf, helft mit! Den Betroffenen, die in diesen schrecklichen Dingen noch drin sind und nicht wissen, ob es überhaupt einen Ausstieg gibt und ob es möglich ist, möchte ich sagen: Doch! Es gibt es! Man kann aussteigen. Wenn ich es geschafft habe, dann schaffst du es auch. Es gibt keinen Grund, dass du es nicht schaffst. Ich habe es mit Gottes Hilfe geschafft, ich habe Seine Hilfe in Anspruch genommen und habe es geschafft. Und du schaffst das auch! Es gibt Hilfeangebote, es gibt Menschen, die einem helfen. Die Kraft ist in dir!