Tanja


Tanjas Aussage

Tanja (59) hat rituelle Gewalt schon als Baby erlebt – in Bayern und in Rapperswil sowie Lenzburg in der Schweiz. Sie spricht über ihre traurige Kindheit: «Man hat mir einfach immer suggeriert, dass ich ein böses Kind bin und Strafen verdient hätte»


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Wie oder durch wen bist Du in Kontakt gekommen mit ritueller Gewalt?

Seit Baby schon, also es war schon immer so, dass ich mich als Kind anders benommen habe als andere Kinder. Das ist mir aufgefallen. Ich bin immer ruhig gewesen. Ich hatte immer Angst gehabt, und ich musste immer sofort von der Schule nach Hause, oder vom Kindergarten. Ich merkte auch, dass die Frau, die zu Hause war, von der ich glaubte, sie sei meine Mutter, nicht meine Mutter ist. Dieses Gefühl hatte ich immer. Ich war immer anders, und ich wusste nicht, was mit mir los ist. Ich bin viel traurig gewesen. Ich war oft unnormal müde. Ich dachte, wo bin ich überhaupt gewesen in der Nacht. Ich weiss nicht, aber meine Kindheit war einfach immer komisch, wenn ich andere Kinder beobachtet habe. Ich bekam viele Schläge, ich war immer ein böses Kind. Und ich hatte oft Schmerzen und konnte die nicht einordnen. Also wenn ich es verglich mit anderen Kindern, merkte ich, es läuft etwas falsch. Man hat mir einfach immer suggeriet, dass ich ein böses Kind bin und Strafen verdient hätte. Ich fühlte mich einfach auch nicht wohl, dort wo ich zu Hause war. Ich wollte mich auch umbringen. Ich war in der Nacht einmal ausgebüchst und legte mich auf die Gleise und wartete, dass der Zug kommt. Und dann hatte mich die Polizei aber nach Hause gebracht, ohne zu fragen was los ist. Dann wurde das Martyrium noch schlimmer. Ich wurde immer geschlagen, ich wusste nicht warum. Heute weiß ich warum. Die ganze Geschichte wurde mir bewusst, als ich schwanger gewesen bin. Dort hatte ich schon immer Angst um mein Kind. Bei der Geburt – ich hatte einen Kaiserschnitt – war ich hinter diesem Vorhang und ich merkte, es blitzte, und ich wusste, es ist irgendetwas, ich konnte mich nicht bewegen, aber jeder fingerte an mir herum, und da ist für mich die Welt zusammengebrochen. Dann sind diese Blitze gekommen, diese Erinnerungen gekommen. Ich hatte immer Angst um mein Kind. Mein Kind durfte man mir nicht mehr wegnehmen, sonst fing ich an zu schreien, und ich machte dann wirklich großen Terror. Von da an sind diese Erinnerungen gekommen, dass ich vorhin schon Kinder auf die Welt gebracht hatte, die alle getötet worden sind. Von einem Moment auf den anderen kam dann alles von den letzten Jahren hervor.

Was sind typische Erfahrungen, die Du als Betroffene(r) gemacht hast?

Ich wurde schon als kleines Mädchen als Prostituierte verkauft. Ich war bei Ritualen dabei, wo schlimmste Dinge passiert sind. Man hatte Kinder geopfert, oder man hatte mir gedroht, wenn ich das nicht mache, was ich da machen musste, dass dann ein anderes Kind umgebracht wird. Sie brachten meine Katze um, wenn ich nicht gehorsam war. Diese verschiedenen Bilder mit diesen Männern und diesen Schmerzen, das hat sich einfach alles so zusammengefügt. Auch meine Angst vor der Polizei, zum Beispiel, weiß ich jetzt auch warum … Wir hatten auch einen Polizisten im Haus, der dabei war und da mitgeholfen hat und mich immer überwacht hat. Das hat sich einfach zusammengefügt. Da kam eins zum anderen und es passte alles und wurde mir klar, warum ich auch so Angst hatte um mein Kind. Ich habe es gehütet wie meinen Augapfel, dass ihm ja nichts passiert … Jetzt weiß ich warum. Beweise, ja. Wir waren an Orten, zum Beispiel in einer Kapelle, die umgebaut ist. Ich ging dort hinein und sagte, dass ich von Außen her alles erkenne. Die Kapelle selbst kenne ich nicht, aber ich weiß, wie sie früher ausgesehen hat, und das stimmte haargenau auf den Buchstaben, was man gesehen hatte, überein. Es gab einen unterirdischen Gang, den man jetzt nicht beweisen kann, weil er nun verschüttet ist. Man findet keine Dokumente, jedoch konnte ich den Eingang zeigen, wo man hineingelangt. Nebenan war ein Haus, wo wir Kinder warten mussten, bis diese Rituale angefangen haben. Diese Häuser stehen heute noch.

Was war Deine schlimmste Erfahrung?

Meine eigenen Kinder umzubringen. Mit anderen Kindern zum Beispiel, dass ist ganz schlimm, mussten wir einen Menschen häuten.

Wie bringen Täter die Kinder dazu, sich zu fügen?

Da wirst du nicht gefragt. Das heißt einfach, wenn ich nicht mitmache, dann bringen sie mir ein kleines Baby und sagen: „Wenn du nicht mitmachst, bringen wir das Baby um, und dann bist du Schuld!“ Als jugendliches Kind machst du dann alles, was gesagt wird. Du hast keine Chance. Ich war so eine, die immer alle Kinder retten wollte. Zum Beispiel hatte ich Babys versteckt, in meinem jugendlichen Alter. Das ist natürlich klar, dass das nicht funktionierte, die haben uns beobachtet, das kam ans Tageslicht, und das Baby haben sie dann umgebracht. Dann habe ich aber nichts mehr gemacht.

Wo und in welchem Rahmen hat das stattgefunden?

Wo das jetzt ist, weiß ich nicht, das ist natürlich schon länger her, aber in Lenzburg. Burg Lenzburg ist so ein Ort. Die Kapelle in Weesen ist so ein Ort. Das sind zwei Orte, die ich ganz sicher benennen kann.

Hast Du zum Abschluss noch ein persönliches Anliegen bzw. eine Botschaft?

Dass das, was wir sagen, und wir sind viele Betroffene, dass man das glaubt. Und dass man nicht meint, das ist, was weiß ich, in Afrika, sondern es passiert in der Schweiz, und es passiert heute noch. Und die ganzen involvierten Indizien, die man hat, und die Beweise, die man zum Teil hat, dass man das klärt. Und nicht einfach sagen, jetzt ist dieser Ort zugeschüttet, es gibt keine Dokumente – das stimmt nicht. Das erfinden wir nicht, das ist so. Die Sachen haben wir miterlebt. Und ich finde es eine Schande, dass man das so belächelt.