Sue


Sues Aussage

Sue (70) hat rituelle Gewalt im Alter von 9 bis 16 in Südkalifornien (USA) erlebt. Sie sagt: «Sie machten Symbole auf meinem Körper, sangen dazu, und ich war nackt. Vieles geschah in den Noviziatsjahren.»


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Wie oder durch wen bist Du in Kontakt gekommen mit ritueller Gewalt?

Der erste Kontakt kam über katholische Geistliche. Ich wohnte direkt gegenüber der Kirche. Meine Familie war sehr, sehr eng mit der katholischen Kirche verwoben. Und meine Mutter hat meinen Onkel dabei erwischt, wie er mich vergewaltigt hat, als ich sieben Jahre alt war. Da haben wir das schon zwei Jahre lang gemacht. Und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie war so schockiert, dass sie nicht wusste, wie sie helfen sollte. Also ging sie mit mir zum Monsignore und bat ihn, mir zu helfen. Und das machte mich zu einer großen Zielscheibe, was sie nicht wissen konnte – ich wusste es nicht mit 7 Jahren. Und er fing umgehend an, mich zu bearbeiten. Während der gesamten Grundschulzeit ging das so weiter. Später ging ich dann in ein Novizenhaus, das war ein Internat. Und da ist viel passiert, und das waren katholische Geistliche. Aber es kam auch vor, dass sie mich auf eine Militärbasis brachten. Einiges davon geschah unterirdisch, einiges über der Erde, einiges im Freien und in Privathäusern. Das war also alles miteinander verbunden.

Was sind typische Erfahrungen, die Du als Betroffene(r) gemacht hast?

Es geschah über zehn Jahre hinweg und es gab so viele Erlebnisse, dass ich gar nicht wüsste, wo ich anfangen soll. Aber die Dinge, die dazu gehörten, einige waren auf einem Stuhl, einfach nur Stromschläge, Folter durch Stromschläge. Andere waren Gruppenvergewaltigungen. Einiges fand in einer Umgebung statt, in der dutzende vermummte Menschen waren, und sie sangen. Sie machten Symbole auf meinen Körper, und ich war nackt. Vieles davon geschah in den Noviziatsjahren, das waren eineinhalb Jahre, als ich 14-15 war. Das Singen war eine sehr, sehr heilige Zeremonie. Nur so kann ich es jetzt beschreiben. Ich habe das durchgemacht. Und dann gab es viele Vergewaltigungen. Manchmal wurde ich unter Drogen gesetzt. Manchmal waren die Drogen fast lähmend. Sie machten also ihre Symbole, ich war betäubt, ich war wie eine Stoffpuppe, und ich wurde einfach herumgereicht und vergewaltigt. Ein anderes Mal waren es Dutzende. Ich erinnere mich außerdem an einen Campingplatz, wo sie ein Kind in meinem Alter auf einem Scheiterhaufen verbrannten. Ich wurde aus einem Bett entführt – ich war in einem Kirchencamp – und ich wurde gezwungen, dabei zuzusehen. Ich habe versucht, mich auf irgendeine Weise zu befreien und habe schließlich den Mann gebissen, der mich festhielt. Und ich durfte weglaufen. Aber ich sah, während das Kind wahrscheinlich gerade starb, dieses dämonische Wesen, das herausgekommen war und mich durch den Wald jagte. Es war schrecklich für eine Vierzehn- oder Neunjährige. Ich glaube, ich war zu der Zeit neun Jahre alt. Und am nächsten Morgen wachte ich in einem Haufen Blätter auf. Sie riefen meinen Namen, die Sonne schien. Und ich glaube, sie dachten, ich sei weggelaufen oder hätte mich verlaufen oder so. Keiner hat je darüber gesprochen. Es gab auch Vorfälle, wo ich in einem Krankenhaus war. In einem Fall wurde ich an den Handgelenken aufgehängt, nackt, und dutzende Männer kamen herein und machten alle möglichen Dinge mit mir. Ich wurde unter Drogen gesetzt. Sie haben mich vergewaltigt. Sie steckten Dinge in meinen Anus und in meine Vagina. Sie haben Sachen in mich injiziert. Sie schlugen mich mit Schlagstöcken und anderen Gegenständen. Und einer von ihnen nahm eine zerbrochene Flasche und wollte sie mir in die Vagina schieben. Und jemand anders sagte „nicht diese hier“. Und es war in einem schalldichten Raum, mit geschlossenen Vorhängen oder Jalousien. Und das ging stundenlang so weiter. Ich wurde ohnmächtig. Ich erinnere mich, dass ich ein paar Mal ohnmächtig wurde. Es gab noch andere Vorfälle. Einmal war ich in einer Krypta und ich dachte, ich würde zu einem Tanz gehen. Der Priester nahm mich zu einem Tanz mit, wo ich erleben könnte, wie es ist. Das war in den Noviziatsjahren. Und ich wurde mit verbundenen Augen dort hineingebracht, ich wurde betäubt, hingelegt, und ich wusste nicht, was passieren würde. Und der Priester fing an, mich zu vergewaltigen. Und es waren mindestens acht Jungen in meinem Alter. Nachdem er mit mir fertig war, sagte er ihnen, sie sollen mich der Reihe nach vergewaltigen. Und das war der letzte Strohhalm im Noviziat. Danach bin ich geflohen. Mitten in der Nacht habe ich meine Eltern angerufen. Es gab andere Vorfälle, wo ich transportiert wurde, wie in einem großen Container. Es war dort dunkel, aber ich konnte die Vibration spüren, also war es wahrscheinlich eine Art Zug. Ich wurde an einen Ort transportiert, der sich im Freien befand, und den ich inzwischen identifiziert habe. Es war eine Militärbasis in Südkalifornien. Sie öffneten die Tür und ich war schon seit Stunden da drin, und sie leuchteten mit diesem riesigen Licht auf mich und es blendete mich einfach. Und mir wurde gesagt „wir sind hinter dir her“. Sie würden hinter mir her sein, und ich musste überleben. Es gab so viele dieser Dinge, die passiert sind, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Wenn sie anfangen, dich herumzureichen … Einiges geschah in Privathäusern, ich wurde dort hingebracht. Es war eine Art Villa, und ich war das Event. Nur so kann ich es beschreiben. Es war also Menschenhandel. Das geschah hauptsächlich während der High School. Das war, nachdem ich das Noviziat verlassen hatte. Die katholische Kirche war anscheinend in das meiste verwickelt, aber manchmal war es in Laboren und es waren keine Priester da. Also, helles Licht und Folter, gefesselt sein. Ich weiß nicht, die Liste ist endlos. Und viele Dinge passierten immer und immer wieder. Es gab eine Zeit, als ich im Noviziat war, ziemlich früh, und sie wollten mir beibringen, wie man die Frau von Jesus ist. Also wurde mir Unterricht erteilt. Und es waren wiederholte Vergewaltigungen und dass ich alles falsch machen würde und dass Jesus von mir enttäuscht sein würde und wie sollte ich jemals seine Frau sein, wenn ich nicht das tun kann, was sie mir befahlen? Es war einfach eine solch intensive mentale und emotionale Grausamkeit. Also das reicht wahrscheinlich.

Wo und in welchem Rahmen hat das stattgefunden?

Es geschah in einer Kirche, auf der Chorempore, in der Sakristei, wo ich arbeitete. Das war einer ihrer Lieblingsorte, weil es eine geschlossene Tür war, niemand war da. Es geschah auf einer Militärbasis, es geschah unterirdisch. Es gab Tunnel und Räume, große unterirdische Räume mit angrenzenden Tunneln. Es geschah in Klassenzimmern, es geschah in Krankenhäusern. Es gab also viele Schauplätze drinnen und draußen, überirdisch und unterirdisch, denn in zehn Jahren kann eine Menge passieren.

Wie bringen Täter die Kinder dazu, sich zu fügen?

Das hängt vom Alter ab. Ganz am Anfang war der Monsignore sehr, sehr nett zu mir und war liebevoll, hat mich an der Schulter getätschelt oder so und gab mir das Gefühl, geliebt zu werden. Und ich hatte wirklich keine Berührungen, ich hatte keine Worte, ich hatte keine Gesten zu Hause. Ich war sehr anfällig dafür. Und dann sprach er über Jesus und wie sehr Jesus mich liebte und dass Jesus möchte, dass ich einige besondere Erfahrungen mache, dass ich Jesus gefallen wollte. Ich war sieben Jahre alt, und das war sehr wichtig für mich. Aus diesem Grund willigte ich ein. Und dann ging es ein bisschen weiter, wo ich mich immer unwohler fühlte. Und dann gab es Drohungen. Drohungen des Teufels, Drohungen, dass Gott von mir enttäuscht sei, Drohungen, dass ich in die Hölle komme. Und wenn man tief katholisch ist, ist das furchterregend. Und dann kamen Drohungen, wie: „Ich werde dich töten, wenn du dich nicht fügst.“ „Ich werde deine Familie töten.“ Und ich tat alles, was sie mir sagten. Ich wollte nicht sterben und ich wollte nicht, dass meine Familie stirbt. Mit dem Sichfügen war es später mit den Laboren das Gleiche. Viele Todesdrohungen und viele Folterungen. Wenn man sich nicht fügte, wurde die Folter noch schlimmer.

Was war Deine schlimmste Erfahrung?

Da gibt es so viel, es ist schwer, eine Sache herauszupicken. Wenn ich wählen müsste, dann wäre es, als ich in diesem Krankenhauszimmer hing und diese dutzenden Männer Dinge mit mir machten. Denn meine Erinnerungen kommen in Farbe und mit Intensität. Alles ist so klar. Direkt danach hatte ich Flashbacks und Albträume, und ich hörte dieses Schreien in meinem Kopf, das ich mehrere Wochen lang nicht loswurde. Und das hat im Grunde mein Leben lahm gelegt, bis ich es verarbeiten konnte. Und das Gefühl der Hilflosigkeit und die Injektionen, stundenlang ununterbrochen, das war mit das Schlimmste. Einige der dämonischen Dinge, ja, aber sie hatten nicht diese intensive, viszerale Komponente, mit der ich so viele Wochen leben musste, um diese Flashbacks durch eine Therapie zu beruhigen, und einfach eine Menge Arbeit, um sie zu verarbeiten. Rund um die Uhr war Geschrei in meinem Kopf, als diese Erinnerung auftauchte. Ja, sie hatten mir die Hände gefesselt, ich hing an der Decke, und sie schlugen einfach auf mich ein. Dutzende von ihnen. Sie waren in einer Art Partylaune. Ich weiß nicht, ob ich eine Art von Event für eine Versammlung war, die sie für diese Leute veranstalteten, aber es waren alles Männer mittleren Alters. Es war in einem Krankenhaus. Sie waren in einem anderen Raum und ich konnte das ausgelassene Zeug hören, das vor sich ging. Und dann kamen sie in diesen Raum, der natürlich verschlossen war, und die Jalousien waren zugezogen. Und es war eiskalt, eiskalt da drinnen. Und sie hatten mich betäubt, bevor ich hineinkam. Ich erinnere mich also, dass ich in diesem Raum aufwachte. Und danach brachten sie die Männer herein.

Hast Du zum Abschluss noch ein persönliches Anliegen bzw. eine Botschaft?

Meine persönliche Sorge ist, dass so etwas oft passiert. Ich habe viele Überlebende getroffen, die das durchgemacht haben. Und es ist sehr organisiert. Und der Therapiebereich wurde von denjenigen, die an diesem Organisationsprozess beteiligt waren, infiltriert. Man kann Therapeuten finden, die einen umprogrammieren können, wenn man programmiert wurde. Man kann Therapeuten finden, die nicht wissen, was sie tun, weil so wenige über diese Art von Dingen Bescheid wissen. Weil das, was uns als Überlebenden widerfahren ist, so bizarr ist, so schwer zu begreifen, dass so etwas überhaupt jemandem passieren könnte, ist es wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen, einen guten Therapeuten zu finden, und einen zu finden, der nicht selbst einer Gehirnwäsche unterzogen wurde. Psychiater setzen dich normalerweise unter Drogen. Und genau das ist bei mir in den ersten Jahren passiert. Ich wurde mit Drogen vollgepumpt, bis ich fast meine Leber ruiniert hatte. Der Teil, der mir wirklich geholfen hat, waren Gruppen mit anderen Überlebenden. Und als ich schließlich meinen Gemeinschaft fand, Überlebende von rituellem Missbrauch, denn es gibt viele andere Vergewaltigungen und Treffen zum Thema Missbrauch durch Geistliche. Ich ging zu vielen, vielen Treffen, bis ich die Überlebenden rituellen Missbrauchs fand. Und wir hatten so viel gemeinsam, da hat die Heilung begonnen. Und besonders, als ich mich mit der spirituellen Seite beschäftigte. Ich musste eine Verbindung zur Quelle finden, zu Gott, welches Wort man auch immer benutzen möchte, und mit den Dämonen umgehen, die involviert waren. Das machte einen gewaltigen Unterschied aus. Ich hatte einfach schreckliche Angst vor dem Teufel, der in meine Träume eindringen konnte, in meine Tage, in meine Gedanken. Das musste ich erstmal überwinden. Und dabei haben mir spirituelle Wege geholfen. Auch Körperarbeit. Dieses Trauma ist im Körper gefangen und es ist … Was es anrichten kann, ich habe über 30 Diagnosen, und sie sind in all den Systemen, die du nicht zum kämpfen oder fliehen brauchst, Du brauchst deine Verdauung nicht, um zu funktionieren, und du brauchst dein Immunsystem nicht, um zu funktionieren. Wen kümmert es, ob du dir eine Bakterie einfängst, wenn ein Löwe dich jagt? All diese Systeme sind es also, die bei mir zusammengebrochen sind. Es gibt ein Buch mit dem Titel „The Body Keeps the Score“ und darin wird viel davon behandelt. Und ich verstand nicht, warum ich so viele Krankheiten hatte, bis ich dieses Buch las. Es setzt sich also im Gewebe fest, und Körperarbeit ist sehr, sehr wichtig. Es ist nicht nur die Therapie, es ist die Körperarbeit und die energetische Arbeit. Energiearbeit. Ich glaubte nicht an diese Dinge, bis ich verzweifelt war und die Medikamente nicht mehr vertragen habe. Ich musste andere Wege finden, und die alternative Therapie hat mir geholfen. Spirituelle Gruppen haben mir geholfen. Und auch Gruppen, in denen wir über das Geschehene sprechen können, haben mir geholfen. Ich bin so weit gekommen. Meine Erinnerungen kamen erst im Alter von 62 Jahren, und jetzt bin ich 70. Und ich habe so viele Fortschritte gemacht, und bin in diese Körperarbeit und spirituelle Arbeit eingestiegen. Ich kann mich jetzt tatsächlich zusammenreißen und darüber sprechen. Und ob ich weine? Ich weine sehr viel. Aber es gibt auch viel Fortschritt.