Natalie


Natalies Aussage

Natalie (54) hat im Alter von 3 bis 52 rituelle Gewalt in verschiedenen deutschen Bundesländern, in den Niederlande und in Österreich erlebt. Ihre dunkelsten und düstersten Erinnerungen betreffen Jagdhütten, von wo aus Menschenjagden organisiert wurden.


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Wie oder durch wen bist Du in Kontakt gekommen mit ritueller Gewalt?

Mein Name ist Natalie, ich bin 54 Jahre alt. Die ersten Erinnerungen kamen überhaupt erst hoch, da war ich 48 Jahre alt. Das war eine Erinnerung – tatsächlich nur, in Anführungszeichen – an einen sexuellen Übergriff, als ich ungefähr acht Jahre alt war. Der Übergriff fand statt. Ich bin großteils in Kelkheim im Taunus groß geworden. Der Übergriff fand statt durch mein Onkel, der, wie sich später herausgestellt hat, auch mein Vater war. Dieser Übergriff fiel insofern aus dem Rahmen, weil es einfach nur ein sexueller Übergriff war. Wie sich später gezeigt hat, war das ein ganzer Täterkreis. Es ging nicht einfach nur um Pädophilie, sondern das Ganze hatte einen satanischen Hintergrund – einen satanistischen Hintergrund. Diese Erinnerungen kamen erst nach und nach ans Tageslicht. Ich muss sagen, das hat mich damals ziemlich überrollt, als diese ersten Erinnerung hoch kamen. Was auch ein Grund ist, warum ich bis heute nicht so tief rein gegangen bin, dass ich mich an alle Details oder Ereignisse tatsächlich erinnere, weil es tatsächlich zu heftig ist. Weil die Sachen, an die ich mich erinnere, bereits so heftig sind. Das muss man verarbeiten, während man irgendwie ganz normal im Leben steht. Also das ist nicht so ganz einfach.

Was sind typische Erfahrungen, die Du als Betroffene(r) gemacht hast?

Das sind Erinnerungen, wo irgendwelche Kutten getragen wurden, wo Elektroschocks zum Einsatz kamen, wo Tötungen stattgefunden haben oder vorgespielt wurden, das weiß ich nicht. Also wo es tatsächlich auch blutig wurde, und das Ganze hat ein rituelles Umfeld gehabt. Da waren verschiedenste Menschen involviert aus verschiedenen Berufsgruppen. Das war und ist für mich auch seltsam, wie die sich alle kennen konnten. Die müssen demselben Kult angehangen haben, anders kann ich es mir nicht erklären. Zum Beispiel eine Erinnerung mit einem rituellen Dolch, wo ich mit einem rituellen Dolch zustoßen sollte, es nicht getan habe, und meine Hand dann geführt wurde. Also christlich ist das nicht, insofern schreibe ich das der Gegenseite zu.

Wo und in welchem Rahmen hat das stattgefunden?

Es ist insofern ein bisschen schwierig, Ereignisse mit den Orten genau zusammen zu bringen. Ich bin den Großteil meiner Kindheit in Kelkheim groß geworden. Und wir – also die Leute, die dazugehört haben – sind öfter in einer Hütte im Taunus unterwegs gewesen, im Wald, wo solche Dinge stattgefunden haben. Ich weiß auch, dass wir in Österreich auch im Umfeld von Jagdhütten unterwegs waren, wo auch Dinge stattgefunden haben, aber ich weiß nicht wo, was. Dann waren wir in Nordrhein-Westfalen auch unterwegs gewesen. Also die Leute aus meiner Familie – Familienmitglieder – und ich. Im Zusammenhang mit der Reise sind wir dann auch in die Niederlande gefahren, und da hat auch was statt gefunden. Ich habe eine Erinnerung, dass ich anscheinend bei einem – ja, es gibt ja dann immer bestimmte Treffen, wo die Leute sich treffen – dass ich bei einem Termin davor so krank wurde, dass ich nicht mit konnte und dass die super sauer auf mich waren, weil da wohl auch irgendwie etwas Größeres geplant gewesen sein muss. Was für mich ein bisschen schwierig ist, ist, dass ich nur einzelne Erinnerungen habe, die hoch ploppen. Das Ganze muss stattgefunden haben, soweit ich weiß, zwischen meinem dritten und dem zehnten Lebensjahr. Ich kann nicht genau zuordnen kann, was, wo war, weil ganz viele Erinnerungen von mir bisher nicht hoch geholt wurden. Manche der Taten müssen in einer Jagdhütte oder im Wald stattgefunden haben. Diese Erinnerung, das ist extremst dunkel, düster. Ich würde sagen, es hängt mit Menschenjagd und Opferung von Tieren, eventuell auch von Menschen zusammen. Wobei ich eine Erinnerung habe, wo ich anscheinend damit beruhigt wurde, es sei nur vorgetäuscht gewesen. Es sei Kunstblut gewesen, aber dass quasi eine Opferung vorgetäutscht worden sei. Ich bin da anscheinend ziemlich ausgeflippt, trotz dem ich normalerweise unter Drogen stand und betäubt war oder so. Oder auch in einem veränderten Bewusstseinszustand oder wie auch immer man das nennen möchte, wo ich mich als Kind da befunden habe. Aber das muss mich tatsächlich zum Ausflippen gebracht haben. Da wurde mir dann gesagt, das sei nicht echt gewesen. Ich soll ich mich so anstellen.

Was war Deine schlimmste Erfahrung?

So seltsam das klingen mag, für mich war es tatsächlich eines der schlimmsten Dinge, die ich erfahren habe, war, als nach so vielen Jahrzehnten das hoch kam und ich mich tatsächlich gefühlt habe wie das achtjährige Kind, weil so ist das für das eigene Bewusstsein, und ich mich dann in einem Umfeld wiedergefunden habe, wo ich also komplett alleine gelassen wurde – entweder, oder. Also weiter gab es wirklich sehr wenige Menschen, mit denen ich da habe sprechen können. Oder ich wurde sogar hingestellt als „ich habe sie nicht alle“ und „das bilde ich mir ein“.

Hast Du zum Abschluss noch ein persönliches Anliegen bzw. eine Botschaft?

Ich denke, die Menschen machen es sich zu einfach. Sie wollen damit nichts zu tun haben, weil das Thema einfach zu erschreckend ist. Aber für mich ist es irgendwie eine Art ein zweiter Verrat, wenn man tatsächlich alleine gelassen wird mit dem Thema. Ich weiß, dass es irgendwie schwierig ist, sich das vorzustellen in einer Welt, wo alles so normal wirkt, dass solche Dinge einfach passieren können. Ich weiß, dass es schwierig ist. Ich habe es selbst irgendwie – mich selbst – oft in Infrage gestellt. Aber das Ganze findet statt. Das findet tatsächlich statt. Und es ist irgendwie ganz, ganz wichtig, dass man die Leute, die das erfahren haben, nicht damit alleine lässt, weil, ganz ehrlich, man unterstützt die Täter nur und man sorgt dafür, dass es weiter geht, und das muss endlich aufhören.