Julia


Julias Aussage

Julia (28) hat im Alter ab 4 Jahren rituelle Gewalt in der Schweiz erlebt. Bis im Alter von 19 Jahren wusste sie nichts davon. Verdrängt, abgespalten. Aber dann entdeckte Julia diese Markierungen am Unterleib.


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Wie oder durch wen bist Du in Kontakt gekommen mit ritueller Gewalt?

Es war so, dass ich mich mit sexuellem Missbrauch auseinandergesetzt hatte, weil ich bemerkt hatte, dass das mit mir passiert ist. Darauf hin sah ich eine SRF-Dokumentation mit Frau Krüsi, wo es um rituelle Gewalt geht und ich habe gesehen, wie sie Narben zeigte an den Innenseiten der Knie. Ab diesem Moment bin ich sehr erschrocken, da ich merkte, dass ich die gleichen Narben hatte. Und da hatte ich bemerkt, dass Missbrauch stattfand, der irgendwie mit Markierungen und mit Ritualen zu tun haben muss. Ich hatte ein paar Gespräche mit meiner Mutter, und sie gab uns auf unseren Weg mit, sich selber zu reflektieren und wenn Sachen nicht gut sind, wenn man sich bedroht fühlt oder aggressiv wird und man keinen Zusammenhang sieht, dem nachzugehen. Ich habe ihr dann Dinge erzählt zum Beispiel beim Autofahren, Gefühle, Emotionen … wenn mich jemand zu schnell überholte, hätte ich ihn am liebsten umgebracht. Es waren einfach sehr eigenartige Gedanken und Gefühle, die ich hatte, und dies teilte ich mit ihr. Auf diese Art – mit dem sich so bedrängt zu fühlen – kamen wir dann auf sexuellen Missbrauch. Sie fragte mich dann, ob mich mal jemand angefasst hatte, oder ob ich sowas Ähnliches mal erlebt hatte. Ich antwortete dann direkt: „Nein! Mir ist nie sowas passiert.“ Ich hatte ja eine gute Kindheit. Ich wüsste das, ich wüsste das ganz sicher. Da bin ich mir sicher. Danach bin ich nach Hause zu meiner Wohnung gefahren und dann fing es an, zu rotieren. Da läuteten alle „Glocken“ und ich dachte, ich sei am durchdrehen, und das hörte nicht mehr auf. Nach zwei Wochen fragte ich dann meine Mutter: „Wie merkt man das?“ „Wie merkt man, ob man sexuellen Missbrauch erlebte?“ Denn das Drehen in meinem Kopf hörte nicht mehr auf. Dann sagte sie, ein Weg könne sein, wenn z.B. von innen her ganz starke Emotionen rauskommen, wenn das wie von unten heraufbricht. Danach fing ich stark an zu weinen. Ich wusste nicht warum, es war alles schwarz, aber ich musste so weinen und hatte gemerkt, dass der Pfeil ins Schwarze getroffen hatte. Ja, ich habe Narben und Markierungen, auch im Unterleib. Das war eben ein Punkt, an dem ich bemerkte: das ist alles passiert! Und ich habe auch körperliche Hautbegleiterscheinungen, die sich über größere Flächen zeigen und so nicht normal sind also Gewebestörungen, die auftreten, wenn die Haut extrem strapaziert wird.

Wo und in welchem Rahmen hat das stattgefunden?

Es fing im Kindergarten an. Sogar im Kindergartengebäude drinnen. Das ging so weiter, dass ich während der Kindergartenzeit raus aus dem Kindergarten und auf einen Bauernhof gebracht wurde. Ja, sie organisierte das. Sie wandte auch Gewalt an zusammen mit einer weiteren Person im Schuldienst. Und ich kam zu einem alten Ehepaar auf einen Bauernhof. Da waren Hühner, es war wahrscheinlich ein Hühnerhof. Dort sind ganz schlimme Sachen passiert. Sehr viele verschiedene Sachen sind ans Licht gekommen. Mit Gewalt, Vergewaltigungen, es gab Rituale, also man hat mir Tierblut gearbeitet, und es gab auch Situationen mit einer kleinen Hütte, wo man gejagt wurde. In diesem Haus gab es Zimmer, wo man Freier bedienen musste. Da waren vor allem ältere Männer. Es fand dort eine Art Ausbildung statt und ich habe dann festgestellt anhand von Strukturen, dass das alles organisiert war. Wenn es z.B. darum geht, einen Freier zu bedienen, das macht das Kind nicht so einfach. Es muss extremer Gewalt ausgesetzt worden sein, damit man es dann einfach ausführt und macht.

Wie bringen Täter die Kinder dazu, sich zu fügen?

Es ist so, dass es für den Menschen als Ganzes zu schlimm ist. Es ist so, dass das solche Abgründe sind, für die der Mensch nicht geschaffen ist. Ich habe das alles abgespalten, damit ich meinen Alltag bestehen kann, damit ich nach Außen ein normales Kind bin. Das ist ja auch irgendwie so konstruiert, dass man als Kind eine normale Alltagspersönlichkeit hat, dass man ganz normal wirkt, und dass das alles wie in einem schwarzen Bereich ist. Ich habe es immer probiert, auszudrücken … über immer wieder so kleine Hilferufe. Eins war eine Zeichnung, auf der alles schwarz ist, und wo ich an ein Haus gekettet bin. Das wurde dann immer weggedrückt, das darf ja nicht hervorkommen. Und damit so etwas nicht hervorkommt, braucht es dann eben sehr viel Gewalt, die am Menschen stattfinden muss, damit man das nicht erzählt.

Was war Deine schlimmste Erfahrung?

Eine schlimmste gibt es nicht, aber was für mich das Schlimmste ist, dass sie es geschafft haben, ein Konstrukt fertig zu bilden mit einem Schlussstein, damit man nachher eingesetzt werden kann für Ihre Zwecke, – man bekommt das ja alles nicht bewusst mit – und man wurde dazu konstruiert, anderen Leuten zu schaden und sie zu zerstören. Das ist für mich etwas, an dem ich sehr intensiv dran bin, etwas, was ich fast nicht verarbeiten kann. Mit Kindern wird auch einiges gemacht. Ich musste Kinder aus Käfigen herausholen und sie dann an der Leine in solche Räume führen und ich musste das Ganze mit organisieren und schauen, dass das Kind gehorcht. Manchmal liefen sie wie Hunde auf allen Vieren. Dann muss man schauen, dass es brav ist und gehorcht. Und das wird so gemacht, dass man lernt, Kinder oder Hunde zu bändigen, die total wild herumrennen. Und dann wird man in diesen Raum gebracht … und muss dann diese Kinder bändigen. Und so werden Persönlichkeitsanteile erschaffen, damit man nachher z.B. in einer BDSM-Session Leute bändigen kann oder auch Kinder oder eben auch Erwachsene. Und das wird auf allen drei Ebenen gemacht. BDSM ist auf allen drei Ebenen: Körper, Seele, und Geist. Das sind alles gewisse Machtverhältnisse, die ineinander greifen, und wenn man solche Persönlichkeitsanteile erschafft, ist es wichtig, dass man in allem traumatisiert wird, damit z.B. der psychische Stress, wenn da Kinder wild herumrennen auf allen Vieren, dann ist der psychische und der geistige Bereich: Du musst das lösen, du musst sie jetzt bändigen! Das Körperliche ist dann, du musst dann je nachdem Gewalt anwenden, damit das Kind gehorcht oder sich beugt oder so hinsteht wie es sollte.

Hast Du zum Abschluss noch ein persönliches Anliegen bzw. eine Botschaft?

Ja, das habe ich. Eben die Leute, die das jetzt sehen, die Zuschauer, dass, wenn man sich mit solchen Themen beschäftigt oder so, wie es bei mir war, wenn man mit einer Vertrauensperson anfängt zu reden, vielleicht über gewisse Störungen oder Probleme, die man hat, oder Auslöser, dass man diese Stücke sammelt wie in einem Topf. Einfach alles, was irgendwie komisch ist oder wo die „inneren Glocken läuten“ oder wo man nervös wird bei diesen Themen, dass man das alles sammelt in einem Topf und sich das mit einer Vertrauensperson anschaut und dies anfängt zu besprechen und mit der Zeit anfängt, ein Bild davon zu bekommen oder zu bemerken, bei mir sind vielleicht auch Sachen passiert. Das ist mir ein Anliegen, dass man achtsam ist und das sammelt und nicht alles wegdrängt, sondern dort hingeht und das anschaut.