Evelyne
Evelynes Aussage
Evelyne (49) hat rituelle Gewalt in den Kantonen Genf und Waadt in der Schweiz erlebt. Sie war im Kindsalter als Assistentin bestimmt: «Ich sah zu wie meine Geschwister vergewaltigt wurden und musste menschliches Fleisch schneiden.»
Wie oder durch wen bist Du in Kontakt gekommen mit ritueller Gewalt?
Ich bin von Seiten meiner Eltern und von den Großeltern beider Seiten in das reingeboren. Auch mein Umfeld, wie ich später anfing zu merken. Meine Nachbarn, meine Freundin, Lehrpersonen, mein Kinderarzt. Alle waren da mit drin, das bemerkte ich auch erst später, dass wir eigentlich recht isoliert aufgewachsen sind. Ja, jetzt im Nachhinein merke ich, wie wir gar keinen anderen Kontakt hatten, einfach nur mit denen, die, in diesem Kult gewesen waren.
Was sind typische Erfahrungen, die Du als Betroffene(r) gemacht hast?
Also in diesem Kult hat jeder eine Aufgabe oder ist für etwas bestimmt. Und ich war als Helferin, als Assistentin, bestimmt gewesen. Ich musste zum Beispiel zuschauen, wie meine Geschwister missbraucht und vergewaltigt wurden, oder was sie alles mussten, furchtbare Gewalt. Zum Beispiel musste ich helfen, so in einem Kirchenraum in der Küche, musste ich helfen menschliches Fleisch zu schneiden.
Wo und in welchem Rahmen hat das stattgefunden?
Etwas war im Keller bei uns im Haus. Da hatte mein Vater auch Kinder versteckt. Ich erinnere mich daran, dass dort, wo wir die Kartoffeln lagerten, auch Kinder waren. Dunkelhäutige Kinder. Es hat aber auch in dieser Gemeinde, in der wir waren, in diesen Räumen hat das auch stattgefunden. Oder auch im Wald, in so einem kleinen Häuschen. Es hat fast so ausgesehen wie ein Gartenhäuschen. An ganz verschiedenen Orten.
Was war Deine schlimmste Erfahrung?
Für mich ist das Schlimmste einfach diese grenzenlose Ohnmacht, die ich immer spürte, dass ich zuschauen musste und nicht helfen konnte. Und man darf da nichts sagen, weil das Schweigen ist das größte, das oberste Gebot.
Wie bringen Täter die Kinder dazu, sich zu fügen?
Mit Bedrohung, Gewalt, Androhung, Manipulation. Einfach mit Drohungen, man tut der Familie etwas an, man bringt die Mutter um, oder man tut den Geschwistern etwas an. Und als Kind tust du dann alles, was man dir sagt. Du glaubst ja alles, was deine Eltern dir sagen.
Hast Du zum Abschluss noch ein persönliches Anliegen bzw. eine Botschaft?
Ja. Ich finde es sehr wichtig, dass es Leute gibt, die Mut haben, uns zuzuhören, dass es Leute gibt, die Mut haben, das zu glauben, und dass sie merken, dass es keine Verschwörungserzählung ist, wie es jetzt suggeriert wird, vor allem in den Schweizer Medien. Es gibt sehr viele Betroffene, wie ich auch, die nie in einer Therapie waren. Und ich wünsche mir auch, dass das ganze Dunkle einfach ans Licht kommt, dass man darüber redet!