Rodjanha


Evas Aussage

Eva Frey (74) hat organisierte Gewalt erlebt – medizinische Menschenversuche in den Spitälern in Lausanne und Basel (Schweiz). Dort wurde sie vergewaltigt, schwanger und nach der geheimen Entbindung wurde ihr Kind vor ihren Augen verwurstet, wie Eva berichtet.


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Wie oder durch wen bist Du in Kontakt gekommen mit ritueller Gewalt?

Dadurch, dass ich nach einem Autounfall an einer Hirnverletzung litt, musste ich in das Augenkrankenhaus in Lausanne eintreten wegen verschiedenen Untersuchungen, und von dort aus bin ich in die Neurologie gekommen in Lausanne. Dort wurde ich für medizinische Versuche missbraucht, Medikamente, ich wurde vergewaltigt. Und so kam ich rein.

Was war deine schlimmste Erfahrung?

Es gibt mehr als eine schlimme Erfahrung. Das Eine war, als sie mit einer hohlen Nadel ganz oben an der Wirbelsäule in das Gehirn reingegangen sind, Hirnwasser rausgezogen haben und Radioaktivität reingespritzt haben. Das Zweite war, als sie ein Elektromuskologram durch das linke Auge machten. Das war in Basel. Dort haben sie mit zwei Nadeln durch das linke Auge gestochen in den Muskel und in den Nerv und haben mit Stromstößen geschaut, was jetzt passiert.

Wie kommst du dazu, von organisiertem Missbrauch zu sprechen?

Ich bin dort vergewaltigt worden, mit einer anderen Frau zusammen, wir wurden nachts aus den Betten geholt im Krankenhaus und in unterirdische Gänge gebracht. Ich wurde schwanger. Was mit der anderen passiert ist, weiß ich nicht. Wir versuchten, zu reden: mit Ärzten, mit der Pflege, mit Anwälten, mit Pfarrern, mit Priestern, mit der Polizei. Man glaubte uns nicht. „Das ist nicht möglich“, hieß es. Ich denke, wenn man solche Medikamentenversuche macht, wenn man Versuche mit Elektroschocks macht, mit einer Hirnpunktion, die man eigentlich nicht macht, dann muss doch da das Material bereits vorhanden sein. Es musste ja auch bereits vorhanden gewesen sein, als ich dann beim zweiten Mal, als die Geburt vom Baby anstand, in unterirdische Gänge entführt wurde und durch Folter das Kind auf die Welt brachte. Da mussten ja Sachen vorhanden gewesen sein, das kann man ja nicht einfach mit Nichts tun.

Was ist mit deinem Kind passiert?

Das haben sie ein paar Tage leben lassen und dann haben sie es vor meinen Augen an die Wand geschmissen, haben den einen Mann, der dabei war und das nicht wollte, und auch mich so zusammengeschlagen und misshandelt, dass man mehr tot als lebendig dort liegen geblieben ist. Sie haben uns – ich weiß nicht wie lange – zwei Tage liegen gelassen, und danach haben sie dieses Kind vor meinen Augen verwurstet. Später kam ich in einen Raum, da stand nur ein Schragen schräg im Raum. Kein Tageslicht, eine nackte Glühbirne über mir, kein Griff an der Tür, und da wurde ich zwischen drei bis vier Wochen festgehalten.

Welche Menschen machen denn so etwas?

Das weiß ich nicht, sie haben sich nicht vorgestellt. Ich habe mal gesagt, es sind Satanisten, aber ein befreundeter Priester sagte mir: „Nein, das ist ein Mensch.“ Der Mensch ist fähig zu solchen Sachen. Es kommt darauf an, wem er sich hingibt. Ich denke, es sind satanische Sachen, die sie gemacht haben. Ich denke trotzdem, dass es auch möglich ist, dass der Mensch so ausartet.

Hast du Strafanzeige eingereicht?

Nein, es hatte mir ja niemand geglaubt. Ich hatte zwar nach dieser ersten Erfahrung, die fast drei Monate lang dauerte, in doppelter Quarantäne, mit einer anderen Frau zusammen, ich hatte ja versucht zu reden. Ich hatte keine Unterlagen. Die hatte mein Verlobter, der in der Pflege arbeitete. Er war baskisch, ein Spanier. Er wollte nach Spanien gehen, um die Papiere zu holen. Er kam nicht mehr zurück, er wurde erschossen. Von wem weiß ich nicht. Ich hatte das erst später erfahren. Er sagte: „Ich werde der Vater deines Kindes sein.“ Ich war im fünften Monat schwanger, als ich jemanden im Krankenhaus besuchen ging, – da ich in der Zwischenzeit ja draußen war – der mich in eine Ecke zog und mir sagte, dass sie Mario erschossen hatten. Ich bin danach davon gelaufen, stundenlang, habe mich dann irgendwo hingesetzt und ich musste zu meinem Kind „ja“ sagen. Ich hatte gehofft, dass es ein Mädchen wird, weil ich dachte, dass ich in einem Bub vielleicht den Vergewaltiger sehe, in seinem Gesicht. Aber ich musste mich entscheiden und ich sagte ein ganz bewusstes „ja“ und habe gesagt: „Ich will dich, ob du ein Mädchen oder ein Junge bist.“ Als Mädchen heiße ich Andrea Flurina, als Junge Andrea Stephan. Ich musste nicht hassen, obwohl ich manchmal noch eine Wut habe, das ist ganz klar. Ich habe nach diesem Versuch mit der Radioaktivität – ich denke, es war Gnade. Von oben hat man mir das eingegeben. Ich lag alleine in einem Zimmer, es ging mir hundeelend, da sagte ich mir innerlich, die haben mit mir gemacht, was du, Gott, verboten hast. Ich werde niemals mehr der gleiche Mensch sein. Ich wünsche das nicht meinem größten Feind. Ich denke, dieser Satz hat mich vor dem Hassen bewahrt, und dieser Satz war, glaube ich, auch Gnade, dass ich den bekommen habe. Ich bin mir nicht so sicher, dass ich dies in vollem Bewusstsein sagte, damals in diesem Zustand.

Würdest du den Tatort wiedererkennen?

Ja, ich bin dort gewesen. 2007 war ich mit einem Freund dort, um zu schauen. Nach 29 Jahren in Lausanne. Ich wollte wissen, stimmt das, was ich erzähle, oder habe ich eine psychiatrische Erkrankung? Ich habe sowohl diese Baracke, in der wir waren, weil das Krankenhaus umgebaut wurde, gefunden, wir waren in den unterirdischen Gängen, und ich habe den Ort, wo ich als Kind war, auch wiedergefunden. Das Unikrankenhaus Lausanne ist an einem Hügel, es sind 25 verschiedene Gebäude, mit einem Höhenunterschied von sicher 50-100 Meter, und alle sind durch unterirdische Gänge verbunden. Ich brauchte lange, um zu merken, dass es stimmt, bis ein Freund mir erzählte, dass unter dem alten Roche [Firmensitz des Pharmakonzerns „Roche“] sieben unterirdische Stockwerke sind. Das sechste ist mit Operationssälen und das siebte ist mit Lastwägen und alles. Da wusste ich, das gibt es tatsächlich.

Das bedeutet ja, dass du dir selber nicht mehr geglaubt hast!

Ich hatte mir nicht mehr geglaubt, weil alle gesagt hatten „ich glaube dir nicht“. Ich hatte von Anfang an. Ich hatte nicht dissoziiert. Ich habe es immer 1:1 erlebt. Ich habe von Anfang an versucht zu reden. Aber was ich sagte und wem ich es auch sagte, hieß es „wir schicken dich in die Psychiatrie“. „Und dort nehmen wir dich auseinander.“ Und dass ich nicht in eine Psychiatrie wollte, das wusste ich. Ich bin nie, auch nicht mal nur einen Tag lang in einer Psychiatrie gewesen. Das wollte ich ganz klar so haben. Das mit dem Baby hatte ich irgendwann so verdrängt, weil ich diese Bilder von diesem verstümmelten Kind, wo einfach nichts mehr übrig gewesen war, außer ein Detail, aber das möchte ich nicht erzählen, das brauchen nicht alle zu wissen, es ist grausig genug. Ich musste es einfach verdrängen, um weitermachen zu können. Ich habe nicht mit meinen Eltern darüber geredet, auch nicht mit der Mutter, aber ich bin mir sicher, dass sie es wusste, weil sie machte manchmal Bemerkungen. Und auch wenn ich es nicht ganz im Bewusstsein hatte, im Unterbewusstsein war es da, weil ich dementsprechend darauf reagierte.

Wie hast du die Erlebnisse bis heute verarbeitet?

Manchmal ist es schwierig. Wegen dem, was sie machten, bin ich sehr behindert. Ich habe seither Schmerzen, von Kopf bis Fuß. Sie haben den Rücken kaputt gemacht, sie haben die Augen kaputt gemacht, die Ohren. Ich habe sehr viele Allergien, ich habe Krampfanfälle davon getragen, vertrage aber keine Schmerzmittel. Je nachdem ist es schwierig, damit umzugehen. Aber ich habe einen Satz gelesen von einer Rachel Hanan, die im KZ war. Das ist für mich ein sehr wichtiger Satz. Sie schrieb: „Des Nachts träume ich von Mengele [Nazi und KZ-Arzt], am Tag glaube ich an die Vergebung.“ Ich habe einem befreundeten Ohrenarzt vor zwei Tagen gesagt, weißt du, ich muss jeden Tag immer wieder kämpfen um Vergebung. Ich kann verzeihen, was sie gemacht haben, aber gewisse Taten sind nicht verzeihbar.

Hast Du zum Abschluss noch ein persönliches Anliegen bzw. eine Botschaft?

Ja, ich habe ein Anliegen, dass Opfer den Mut haben zu reden. Man muss zwar wieder in Sachen hineingehen, sie sind dann sehr präsent, trotzdem macht es einen frei. Dass Opfer lernen, die Scham, dass sie Opfer geworden sind, zu überwinden. Ich bin eines von diesen Opfern, das nicht zum Täter geworden ist. Aber dass diese Opfer, die man zu Tätern gemacht hat, sich vergeben, dass sie zu Tätern wurden.