Ellen


Ellens Aussage

Ellen (53) hat rituelle Gewalt Witchita (Kansas, USA), Darmstadt, Hessen erlebt. Erste Erinnerungen kamen erst im Alter von 43 Jahren. Heute spricht sie über ihre Sterbezustände und dass sie jeweils «zurückgeholt» wurde.


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Was sind typische Erfahrungen, die Du als Betroffene(r) gemacht hast?

Also da sind Erinnerungen an gewürgt werden, aber auch unter Wasser gehalten werden, und dass sich eine Kapazität entwickelt hat, sehr lange ohne Luft auszukommen. Ich habe mich immer gewundert, woher kommt das? Und dann kamen eben Bilder dazu und das waren ein paar … Also Menschen, es hat sich immer nach Männern angefühlt, die um mich herum stehen bei Ritualen, wo ich liege. Und eine der krasseren Erinnerungen war, dass Organe auf meinen … Also es sah für mich erstmal so aus, dass mir ein Baby gegeben wird, und es fühlt sich an, als wäre es mein Baby. Oder das wurde mir so gesagt, und das wurde mir dann auf den Oberkörper gelegt. Und dann konnte ich aber fühlen, dass es tot war und auch eigentlich eine Tötung auf meinem Körper passiert ist. Auf jeden Fall konnte ich fühlen, wie das Blut und das Feuchte an meinem Körper runterlief und langsam abkühlte. Diese Eindrücke waren da und die Erinnerugnen waren dann oft mit höchster, höchster Erregung und emotionaler Beteiligung. Das ist oft zeitversetzt. Das Emotionale kommt zu einer anderen Zeit als diese höchste, höchste körperliche Übererregung. Manchmal kamen dann auch andere Bilder. Also gewürgt werden mit einem Gesicht vor mir. Ich habe es immer Politikergesicht genannt. Ich wusste nicht, woher dieses Wort kommt, aber „Politikergesicht“ kam mir. Ich konnte es nicht anders beschreiben. Aber ich kenne diese Person nicht. Ich würde sie vielleicht auch nicht erkennen. Also da waren auch Erinnerungen von Elektroschocks in einem weißen Raum, wie ich es so genannt habe. Ein sehr heller, nicht warm weißer, sondern kalt weißes Licht. Der Raum ist komplett leer. Alles ist schlicht und weiß gehalten und ich bin auf einer Metallunterlage und ich sehe ein Gerät und einen Spiegel an der Wand. Und jetzt im Moment würde ich sagen, dieser Spiegel war nur einseitig durchschaubar. Und ich hatte Elektroschocks damit in Erinnerung, die da mitkamen. Und als ich dann therapeutisch und mit mir selbst, mit meinen Methoden, die ich mir in der Zwischenzeit angeeignet habe, und die mir helfen, das einfach zu integrieren und nicht immer wieder in den Flashbackschleifen zu sein. Gerade diesen letzten Sommer, da ist ein Riesenschritt passiert, und ich hatte nicht mehr diese ganz krassen Zuckungen im Körper, die bis dahin einfach mich jahrelang nachts und tags eingeholt haben. Und die haben sich dann ganz stark verändert, als ich das ernst genommen habe, dass da eben Elektroschocks auch beteiligt waren als Methode. Es waren Szenen, wo ich mich erinnere, dass da andere Kinder waren. Aus meinem Gefühl war ich älter, aber das ist sehr tricky, weil oft kommen Gefühl wie, dass man älter ist, als man eigentlich zu der Zeit war. Und diese Kinder hätte ich in verschiedenen Altersgruppen eingeschätzt: drei, fünf, vier, und die waren in weiß gekleidet, und die waren rechts von mir. Und ich hatte einen rostigen, metallenen Pfahl in der Hand, und ich meine in meiner linken Hand, obwohl das nicht meine Haupthand ist, und ich hatte unfassbare, unbeschreibliche Schuldgefühle, dass ich den Kindern was angetan habe, oder werde, oder ich ihn nicht helfen kann. Ich sehe aber keine Tat, aber ich weiß, ich habe mit diesem Metallpfahl, der war … Ich kann es auch jetzt sehr stark fühlen, die Qualität davon, und dass er eben rostig war, und das Gewicht recht groß war, und in dieser therapeutischen Sitzung, in der das kam, da ist absolut wahnsinnshohe Erregung damit verbunden und ganz schwer, das durchkommen zu lassen. Gottseidank habe ich viel in der Richtung gearbeitet, dass ich das es überhaupt halten konnte, die Intensität. Ich habe sonst nichts gesehen, auch kein Blut, aber ein großes Wissen darüber, dass irgendwas Schlimmes angetan wurde. Und es war noch eine andere Sache, die mit einem kleinen Hund zu tun hatte, wo ich deutlich sehen konnte, – und aus dem Grund ist das immer am emotionalsten von all den Erinnerungen, die ich hatte, wenn ich davon erzähle – Auch da habe ich nicht gesehen, was passiert ist, also entweder war ich dann vom Bewusstsein weg oder mit Drogen beeinflusst. Ich weiß, dass es so Eindrücke gab, dass mir entweder ätzende oder ganz scharfe Flüssigkeiten den Hals runterliefen. Und ich dachte erst, es ist etwas Ätzendes, aber es könnte auch scharfer Alkohol gewesen sein. Und aber mit diesem jungen, kleinen Hund, noch sehr klein, aber ich weiß, dass er schwarz-weiße Flecken auf dem Bauch hatte und ich eben den Bauch sehe und die Welpen haben ja auch so nackige Bäuche, ja und damit sind, wie ich es jetzt auch fühle, irgendwas sehr Drastisches verbunden. Aber die Bilder zu der Tat, die dann vielleicht passiert ist, dass dieser Hund von mir getötet, geschnitten, erstochen werden musste, das habe ich noch nicht in Erinnerung. Solche Methoden waren wohl auch dabei. Sachen, an die ich mich erinnere, ist, dass ich sehr, sehr, sehr genau beobachtet wurde. Dieser Eindruck ist, dass das auch etwas sehr Übergriffiges ist, obwohl man sagen würde, das ist doch nicht körperlich schlimm, aber dass mehrere Augenpaare ganz intensiv, oder ein Augenpaar, ganz intensiv auf mich schauen, und auch der Eindruck ist, dass sich diejenigen total daran aufgeilen, an allem, an jeder kleinsten Reaktion die ich habe, also jede kleinste Erregung oder emotional. Und ich habe auch gelernt, nichts zu zeigen, also keine Reaktion zu haben. Und deswegen wurde dann aber umso genauer geschaut. Und da verschwimmen dann irgendwie Sachen wie: Wer bin ich eigentlich? Wer ist der Täter? Das Gefühl ist dann, ich bin der Täter. Das ist ein ganz starker Eindruck. Und ich muss mich dem auch hinschenken irgendwie, und das ist meine Lebensaufgabe. Eine Sache hatte ich gerade noch, die ich sagen wollte. Achso, Orgien. Genau, es waren Erinnerungen an Orgien, aber irgendwie waren die so normal, dass ich die nicht als das Schlimmste in Erinnerung habe. Ich habe auch so viel Therapeutisches durchgearbeitet, dass es sich anfühlt wie: „Ja, ist doch nicht schlimm, hab’s doch durchgearbeitet, dann ist das nichts Schlimmes.“ Und das ist eigentlich fast das Schlimmste an dem Ganzen, dass ja so auch ein Eindruck entsteht … Das ist ganz schwer Worte zu fassen, aber ich – ich sowieso – habe gar kein Recht zu leben. Das kann ich weiterhin noch nicht in Worte fassen, aber das fällt mir ein, wenn ich an diese Orgien denke. Oder dass vaginal, anal, oral eingedrungen wurde, aber oft auch nur zum Beispiel mit dem Finger, damit es nicht sichtbar ist als … Und bei einer frühen Erinnerung, wo ich noch überhaupt nicht an rituelle Qualitäten der Gewalt gedacht habe, da war eine Erinnerung, die sehr stark war, dass ich selbst einen Finger bei einem Baby in die Scheide schiebe, obwohl ich jetzt wirklich nicht sagen kann, es war so real, ich konnte es so deutlich an meinem eigenen Finger fühlen, dass es sich sehr danach angefühlt hat, dass ich Täterin bin, und das kann auch sein, aber es kann auch sein, dass ich dissoziiert war in die Sichtweise eines Täters. Also dieses Phänomen gibt es nun mal auch. Oder auch ich zugesehen habe, wie eine junge Frau sehr sinnlichen Sex mit einem Täter hat. Und das war eine – aus irgendeinem Grund – sehr schwere Erinnerung, an die ich nur schwierig dran kam, aber die wichtig war, und ich auch da nicht sagen kann … Auch eingeordnet in welche Altersgruppe, in welchem Alter war ich denn eigentlich? Und mein Gefühl war, ich war eher im Kleinkindalter, als diese ganzen rituellen Sachen waren, und dann später erst im Jugendalter oder Kindalter zwischen neun Jahre alt mit dem Vater eher in Sachen, die nicht in rituellen Kreisen waren, aber dass da dann auch Vergewaltigungen waren …

Wo und in welchem Rahmen hat das stattgefunden?

Meine Eindrücke waren immer wieder Innenräume und dunkel und große Räume. Auch viel Dunkelheit, da waren auch Szenen mit Feuerquellen. Ein Ritual, wo ich auf eine Art Thron oder höher gestellten Sitz gesetzt wurde, mit sehr langen Kleidern, also großen, eigentlich zu großen Kleidern und … Es war ein sehr großer Raum, der durchaus auch im Untergrund sein konnte. Und ich habe eine sehr klare Erinnerung, dass ich in eine Holzkiste getan wurde. Und die fühlte sich auch an, als wäre es eher im Untergrund. Obwohl ich auch manchmal das Gefühl hatte, das hätte auch draußen sein können, irgendwie auch in die Erde vertieft. Ansonsten, dieser weiße Raum, von dem ich schon gesprochen habe. Aber weil der hell war, war der irgendwie anders als die anderen Eindrücke. Da erschien es eher im Dunkeln gehalten worden zu sein. Und weil diese Assoziationen sich sehr nach Kleinkindzeit anfühlen, würde ich sagen, das war in den USA. Ansonsten gab es da Vergewaltigungsszenen in Finnland, an die ich mich erinnere, diesen Sommer gerade erinnert habe. Das war dann draußen. Aber das hatte nichts mit den rituellen Dingen zu tun. Aus meinem Gefühl waren das eher nicht mehr diese Kreise und nicht mehr diese rituelle Qualität.

Wie bringen Täter die Kinder dazu, sich zu fügen?

Das wundert mich auch bis jetzt, wie stark dieser wohl biologische Drang ist von Kindern, – „dazu zu gehören“ ist viel zu schwach gesagt – sich verbinden zu müssen mit jemand Vertrautem. Wahrscheinlich gehört das in die Kategorie des Stockholm Syndroms, also in dieser Art. Das ist etwas sehr Biologisches. Das kann ich jetzt fühlen. Jetzt kann ich es nachvollziehen, wie stark das ist. Das spielt in die Hände der Täter, dass sie das nutzen können, dass es für Kinder das Allerwichtigste ist und sogar wichtiger als zu leben. Also es ist zwar zum Überleben da, aber es fühlte sich für mich auch an, ich sterbe dafür gerne. Ich werde Schmerzen ausstehen, nur damit ich mich verbunden fühle mit den Tätern, und ich werde auch auf die Seite der Täter gehen und mich loyal verhalten oder das tun, was sie wollen. Und das ist vielleicht auch ein Programm. Das kann auch sein, dass es noch über diesen biologischen Drang, den wir haben als Säugetiere, hinausgeht. Und die Methoden sind so, dass ganz schnell das Nervensystem in einen Zustand kommt, dass diese normale Kampf- und Fluchtbewegung, die auch Kinder schon von klein auf haben, dass die ausgeschaltet sind. Also es geht um die Elektroschocks. Mein Gefühl war, es ging um Abrichtung eher und eben genau, um so Zustände zu erreichen, wo dieser Kampf- und Fluchtimpuls, wo das Kind normalerweise laut schreien würde, dass das einfach abgeschaltet wird und für weitere Situationen nicht mehr zur Verfügung steht. Weil das so zentral ist, dieses Gefühl, diese ganz genaue Beobachtung. Mir kommt es sogar vor, dass es den Tätern selbst gar nicht bewusst ist, wie sehr das eigentlich einen Einfluss hat, dieses genau Beobachtetwerden. Dieser Punkt, als wäre das ein magischer, der angestrebte Punkt schlechthin, der diesen Tätern ganz, ganz viel bedeutet, ist die Grenze zwischen Leben und Tod. Und ich hatte das Gefühl, ich bin auch öfter in Sterbezustände geraten und wurde immer wieder zurückgeholt. Und das hat sich so ausgewirkt, – also jetzt, Gott sei dank, scheint das ein Stück weit geheilt zu sein – aber dass ich die letzten Jahre total darum gerungen habe, in genau diesem Zustand zu sein. Ich würde auch gerne eigentlich sterben, das wäre dann die Befreiung endlich, aber es geht nicht. Ich bin gefangen genau in diesem Zwischenstadium, eigentlich sterben wollen, aber nicht zu können. Also das ist das Typische dann an Kindern, sie können da nicht selbst entscheiden. Die werden dann da gefangen gehalten an dieser Stelle. Und das eben auch mit diesen Ertränkungen, also verschiedene andere Methoden, wo man guckt, okay, hier ist dann die Stelle, wo das Kind nicht mehr zurückgeholt werden kann. Und das aber noch vorher abgefangen zu haben, so oft, also in verschiedenen Situationen.

Hast Du zum Abschluss noch ein persönliches Anliegen bzw. eine Botschaft?

Also etwas, was mir, so fühlt es sich an, immer als Botschaft gegeben wurde durch den ganzen Prozess, auch den Heilungsprozess, und das ist auch das Bild, was ich gerne anderen weitergeben würde, ist, dass es sich unglaublich lohnt, in die eigenen dunklen Bereiche zu schauen, zu fühlen, sich da reinzubegeben, auf jeden Fall mit Hilfe. Ich würde auch unbedingt sagen, mit dem eigenen Körper, also mit der Fähigkeit des Körpers, Intensitäten halten zu können, mit dem Fokus auf den Körper. Ich habe sehr viel mit der therapeutischen Methode SE [„Somatic Experiencing“] gearbeitet, es ist mein täglicher Begleiter, und auch TRE „Tension & Trauma Releasing Exercises“. Das hat unfassbar viel Kraft gegeben und Halte und „Containing“ für diese sehr, sehr intensiven Dinge, die durch einen durchkommen, wenn man sich mit dem Dunklen und Schwierigen befasst, und das wünsche ich natürlich niemandem, aber es ist auch ein Abenteuer. Ich will das überhaupt nicht schön reden, das ist jetzt vielleicht ein bisschen tricky. Aber aber es lohnt sich nichts mehr, und es führt einfach zu Leben, zu Licht, und einer tiefen Dankbarkeit ans Leben. Dann den Menschen, die mich begleitet haben, und mir geholfen haben, und das persönlich getragen zu haben, das kommt mit dieser Entscheidung „ich gehe und schaue mir die dunklen Dinge an“. Das ist jetzt mal ganz kurz zusammengefasst, was ich dazu sagen würde. Ich würde auch wirklich sagen, das ist die Friedensarbeit schlechthin, die wir tun können. Das ist mir wichtig. Und das ist noch viel wichtiger, als in den Aktionismus zu gehen, obwohl, man wenn man sich dazu gerufen fühlt, ist das auch wichtig, aber ich finde, energetisch und von der Wirkung her, die das ins Leben, in die Welt rausträgt, ist dieser mutige Schritt zu sich selbst hin, zu dem Dunklen und auch andere Qualitäten, es muss nicht nur dunkel sein, dass das etwas unfassbar Starkes, Kräftiges, Mächtiges ist. Auf gute Weise.