Elisabeth Schäfer


Elisabeths Aussage

Elisabeth Schäfer (65) hat im 11. Altersjahr rituelle Gewalt erlebt, und zwar in Hessen (D). Sie war zufällig in ein laufendes Ritual reingeplatzt und musste der Verstümmelung eines Neugeborenen beiwohnen und das Baby schließlich töten.


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Wie oder durch wen bist Du in Kontakt gekommen mit ritueller Gewalt?

Das ist passiert in dem Dorf, in dem ich groß geworden bin. Wir hatten eine Bekannte, die ein paar Häuser weiter gewohnt hat und immer mal wieder vorbeikam bei uns. Und meine Mutter hat mich und meine Schwester dorthin geschickt, um ihr etwas zu bringen.

Was sind typische Erfahrungen, die Du als Betroffene(r) gemacht hast?

Die Erfahrung, die ich dort gemacht habe, war Vergewaltigung, Folter und Mord. Und ich bin dort in ein Ritual reingeplatzt. Wir sollten bei der Nachbarin was abgeben und wir kamen in das Haus, die Türe war offen. Wir standen im Flur, da war Licht und wir haben gerufen, und zunächst war niemand da. Und dann sind wir irgendwie ins Wohnzimmer gekommen, vielleicht haben wir gehört, dass da jemand war. Und dort war Dämmerlicht, da waren Kerzen und dort fand dann das Ritual statt, in das wir zufällig reingelaufen sind. Die haben uns dann dort behalten und haben uns gezwungen, dort zu bleiben, wir durften nicht weggehen. Wir mussten alles miterleben und zugucken. Dort war gerade ein Baby geboren worden. Das Baby war von einer 13-jährigen anderen Nachbarin. Sie war die Freundin von … Also bei dem Ritual war diese Nachbarin, ihr Partner und ihr Anfang 20-jähriger Sohn. Sie waren da dabei. Und seine Freundin. Die Freundin von diesem jungen Mann war höchstens 13, das war ein anderes Nachbarsmädchen, und die hatte gerade ein Baby geboren. Was ich da erlebt habe, die haben das kleine Mädchen vergewaltigt und ich musste zugucken. Und ich habe immer nur geschrien: „Macht sie nicht tot, macht sie nicht tot!“ Ich war damals erst 11 Jahre alt. Das Baby haben sie dann in der Scheune … Also das war teilweise im Wohnzimmer und teilweise in der Scheune. In der Scheune haben sie mich auch vergewaltigt, und zwar mehrere. Dann haben sie das Baby in der Scheune aufgehängt und haben es geschlagen, am Seil aufgehängt und ausgepeitscht. Dabei immer einfach geschlagen, mit dem Stock haben sie es geschlagen. Und dann, in der Wohnung, haben sie das Baby skalpiert. Und dann haben sie es in heißes Wasser gesetzt, in ganz heißes Wasser, die Haut war ganz verbrüht, und es ist aber immer noch nicht gestorben. Dann hat die Frau, das Nachbarsmädchen, das gerade geboren hatte, angefangen zu schreien. Dann haben sie ihr Medikamente gegeben. Und dann hat der Partner von dieser Frau, von der Nachbarin, der wollte an das Mädchen ran, das gerade geboren hatte, und wollte sie vergewaltigen. Und da ist sein Sohn so wütend geworden – das war ja seine Freundin – dass er ihn erwürgt hat. Sie haben dem Mann, den sie gerade ermordet haben, da hat die Zunge rausgehängt, die haben sie dann abgeschnitten und haben sie den Hühnern gegeben. Seine Partnerin hat verächtlich nach ihm getreten. Nachher stand sie auf dem Hof und hat geheult wie ein Schlosshund. Vorher war es noch so, dass die junge Frau, die gerade geboren hatte, aus der Scheide geblutet hat. Das Blut haben sie aufgefangen und damit so ein Ritual gemacht, dass alle davon trinken mussten, auch wir. Was am allerschlimmsten war, dass ich das Baby ermorden musste. Das war trotz aller Folter immer noch nicht gestorben. Und sie hat die Hand geführt, und ich musste mit einem Dolch in die Scheide rammen. Die Frau, also die Nachbarin, hat mich dann in eine so türkisfarbene Wanne, Wäschewanne, reingestellt und abgewaschen. Mir lief das Blut an den Beinen runter, die hatten mich ja da vergewaltigt in der Scheune. Da hat sie mich abgewaschen und dann heimgeschickt. Und wir sind dann zusammen heimgegangen. Meine Schwester und ich. Ich habe nichts mehr gewusst am nächsten Tag. Ich erinnere mich, dass meine Mutter aus dem Fenster geguckt hat und ein anderes Kind dieser Familie – die hatten noch mehr Kinder – gesehen hat und hat gesagt: „Ich habe gehört, dein Papa ist gestorben. Was hat er denn gehabt?“ Und dann hat er gesagt: „Einen Asthma-Anfall.“ Und ich habe nicht mehr gewusst, was passiert war, aber ich wusste, dass das nicht stimmt. Ich habe gedacht, wie kann man das glauben? Daran erinnere ich mich noch sehr genau. Und es ging mir dann so schlecht danach, meiner Mutter ist das aufgefallen. Dann hat sie mich sechs Wochen auf Kur geschickt. Und das noch während der Schulzeit. Das war natürlich besonders schlimm für mich, dass mir da nicht wirklich jemand geholfen hat. Aber ich wusste ja selber auch nicht, was passiert ist.

Wie bringen Täter die Kinder dazu, sich zu fügen?

Sie haben mir ja die Hand geführt mit dem Dolch. Und vorher musste ich ja nichts weiter machen, als zugucken. Sie haben mich festgehalten. Wenn ich geschrien habe, haben sie mir den Mund zugehalten. Und ich musste zugucken. Sie wollten, dass ich das alles mit ansehe.

Hast Du zum Abschluss noch ein persönliches Anliegen bzw. eine Botschaft?

Ich finde es wichtig, dass diese Leute, die sowas erlebt haben wie ich, endlich mal ernst genommen werden. Dass mir geglaubt wird, dass es passiert ist, auch wenn sich das so unwahrscheinlich anhört. Und auch, dass es möglich ist, dass man es anzeigen kann, und dass die Leute bestraft werden, die sowas machen. Ich will auch, dass Vergewaltigung viel stärker bestraft wird. Auch Vergewaltigung in einem anderen Rahmen, aber diese rituelle Gewalt noch viel mehr. Und dass man auch besser auf seine Kinder aufpasst und darauf achtet, wie es ihnen geht. Man sollte auch ein bisschen mehr auf sein Bauchgefühl achten als Eltern, dass man nicht seine Kinder zu Leuten schickt, wo man merkt, dass irgendwas nicht gut ist. Also ich erinnere mich, dass ich schon als Kind gemerkt habe, dass mit dieser Frau irgendwas nicht stimmt. Sie war immer lustig und fröhlich und hat immer gelacht. Aber sie hat eine düstere Ausstrahlung gehabt und ihre Haut war auch so grau irgendwie. Ich weiß nicht, ich habe einfach gemerkt, es passt nicht, irgendwas stimmt mit der Frau nicht. Aber ich konnte es nicht einordnen als Kind.