Lily


Lily’s Aussage

Lily (39) hat im Alter von 1 bis 16 Jahren rituelle Gewalt in Deutschland erlebt. «Ich war ein Nichts», sagt sie in diesem Video.


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Wie oder durch wen bist Du in Kontakt gekommen mit ritueller Gewalt?

Ganz klar meine Familie. Meine Großmutter war eine der Haupttäterinnen, wie ich heute weiß. Sie war so gesehen auch Konditioniererin. Aber bei uns war das definitiv eine ganze Familienstruktur. Auch das Dorf, wo ich ausgewachsen bin. Also wir waren nicht die einzige Familie darin, die zu diesem Zirkel gehörte, sondern es waren mehrere Familien, wie ich heute weiß. Auch weil ich noch Kontakt pflege zu einer Betroffenen, mit der ich damals zusammen aufgewachsen bin. Wir hatten lange, lange Zeit keinen Kontakt mehr zueinander. Heute wieder, und sie ist in denselben Strukturen groß geworden. Auch durch diesen Kontakt konnte man viele Sachen durch die eigenen Erinnerungen zusammenführen.

Was sind typische Erfahrungen, die Du als Betroffene(r) gemacht hast?

Viel Leid. Also ich musste viel aushalten an Schmerzen, an Missbrauch. Also ich bin da quasi schon mit aufgewachsen. Das wurde auch so in die Richtung getrieben, dass ich auch als Kind extrem übersexualisiert war. Das wurde mir auch – also das weiß ich auch noch aus Alltagserinnerungen und auch durch meine Freundin, die das auch immer wieder bestätigt hat, weil das ein Hauptbestandteil von mir war als Kind. Ich weiß, dass ich Menschenfleisch essen musste.

Wie bringen Täter die Kinder dazu, sich zu fügen?

In Form von Ritualen. Ich musste Tiere töten. Vor allen Dingen meine eigenen Tiere. Ich hatte später Katzen und ich hatte zu diesen Tieren auch eine sehr, sehr starke Bindung und Beziehung. Und die wurden dann mir weggenommen. Und wie ich dann später erinnert habe, während meiner Heilung, musste ich sie im Ritual selber töten. Ich musste Babys töten. Ich musste dabei zusehen, wie andere Kinder gequält werden, aber auch wie Frauen, die schwanger waren, bei lebendigem Leib aufgeschnitten wurden und das Kind rausgeholt wurde und sie ausgeweidet wurden.

Wo und in welchem Rahmen hat das stattgefunden?

Ich kann mich an keine genauen Orte in dem Sinn erinnern, dass ich sagen kann, das war jetzt in der und der Stadt. Ich weiß aber genau, in was für Räumlichkeiten ich war. Ich war in Kirchen. In verschiedenen Kirchen, auf jeden Fall. So wie ich mich zurück erinnere, waren das vor allen Dingen katholische Kirchen. Ich war in Burgen. Ich war in Schlössern. Ich meine auch, mich erinnern zu können, dass ich auf Friedhöfen war. Manchmal hat’s auch draußen stattgefunden. Ich weiß nicht, ob das irgendwo im Wald war. Da wurde zum Beispiel Feuer gemacht. Ja und das hat auch in Häusern stattgefunden, in Villen. Und, in welchem Rahmen, also es kam halt darauf an, also bei Hochzeitsritualen zum Beispiel, wo es darum ging, Bande zu knüpfen zwischen der Entität und einem selbst, das fand dann zum Beispiel eher im kleinen Rahmen statt. Ich kann nicht sagen, wie viele anwesend waren, vielleicht maximal fünf, aber vor allen Dingen hauptsächlich in Roben gekleidet. Ich kann mich an dunkle Roben hauptsächlich erinnern, auch weiße, aber ich glaube, mein Zirkel, wo ich jetzt speziell war, hatte eher dunkle Roben. Es gab aber auch größere Anlässe, wahrscheinlich, weil die Erinnerung da kam, zu Ostern, was ja auch immer sehr groß rituell gefeiert wird, fand dann auch in Schlössern statt, wo dann auch sehr, sehr viele Gäste eingeladen waren. Manche waren in Roben gekleidet. Manche waren einfach, wie man das, keine Ahnung, vom Opernball kennt oder so oder Hochzeit, extrem – hatten einfach hübsche Kleidung an. Dort fanden dann auch wichtige Aufführungen mittels eines Rituals statt. Dann gab’s Themenparties, wo auch mehrere Gäste eingeladen waren, wo es verschiedene Räume gab und verschiedene Sachen angeboten wurden. Zum Beispiel Räume, wo einfach nur ein Tisch mit Schnallen war, wo man festgebunden wurde und dann konnten die mit einem machen, quasi, was man will. Wie ein Themenpark. Keine Ahnung, wie ich das beschreiben soll.

Wie bringen Täter die Kinder dazu, sich zu fügen?

Man ist ständig mit dem Tod konfrontiert, weil, man weiß ja auch, was einem passieren könnte, wenn man sich nicht fügt und man weiß auch ganz genau, natürlich, wenn man irgendwelchen Widerstand äußert, was dann mit einem passiert. Dann bedeutet das nicht, dass man einfach umgebracht wird. Das wäre dann noch der leichteste Weg. Man weiß, dass man mit großen, großen Qualen danach zu rechnen hätte. Und das ist halt eine Komponente, weil einem das einfach schon als kleines Kind ganz deutlich gezeigt wird. Zweitens, dadurch, dass ich ja auch eine multiple Persönlichkeitsstruktur habe, ist es ja dann auch für die Täter ein Leichtes, einen zu programmieren und dementsprechend auch abzurichten. Was ich von mir persönlich weiß, ist, dass ich zum Beispiel, auch im Alltag, ich hatte nichts. Ich war ein Nichts. Ich konnte nichts. Das wurde mir auch immer wieder gesagt und auch gezeigt, dass ich in dieser normalen Welt absolut nutzlos und wertlos bin. Also da gibt es dann auch im Alltag verschiedene Mechanismen, womit mitgearbeitet wird, die so als Zufall aussehen, aber wo ich heute weiß, dass das alles, der Großteil, sehr bewusst gesteuert war. Aber im Kult, weil irgendwann der Zeitpunkt kommt, oder bei mir auch gekommen ist, wo man sich mir angenommen hat und wo ich so was wie eine Ausbildung durchlaufen habe, wie ich selber Tötungen vornehme, wie ich mich dabei zu geben habe usw. Und wenn man das gut macht, im Auge der Täter, dann bekommt man dort Wertschätzung und Anerkennung und, ja, das, was man als Kind so dringend braucht, auch wenn es nicht die schönste Anerkennung und Wertschätzung ist und man das natürlich auch nicht mit Freude oder so tut, aber es ist überhaupt eine Form von Anerkennung. Dadurch entsteht dann auch schnell so etwas wie eine Hörigkeit, weil sich die Täter, ja… Die nehmen sich einem an, die kümmern sich um einen. Die geben einem zumindest einen Hauch von dem, was man so eigentlich die ganze Zeit von seinem ganzen Umfeld nicht erfährt, weil bei mir das auch speziell so war, dass ich nicht nur von meinen Eltern abschätzend und lieblos behandelt wurde, sondern das war einfach von meinem ganzen Umfeld. Ob es halt auch andere Leute in dem Dorf waren, egal wo ich hingekommen bin. Es wurde eigentlich immer schlecht über mich geredet und mir auch das Gefühl gegeben, ja, was will die hier? Also ich war kompletter Außenseiter, und das treibt einen natürlich auch noch mehr in den Kult und macht einen davon abhängig, von diesen Menschen, und man wird dann auch emotional abhängig und entwickelt so was wie Loyalität, automatisch. Weil man halt weiß, dass der einzige Wert, den man überhaupt – wenn man überhaupt Wert hat – nur daraus besteht, aus den Sachen, die man für den Kult und in dem Kult tut. Und dass alles andere nichts wert ist. Und man auch nichts anderes kann außer die Sachen, die dort von einem verlangt werden.

Was war Deine schlimmste Erfahrung?

Das ist bislang so meine krasseste Erinnerung auf allen Ebenen. Auf körperlicher und auch auf emotionaler Ebene. Also da hatte ich auch einen körperlichen Flashback, mit circa 14, 15 Jahren musste ich innerhalb des Kults ein Kind selbst auf die Welt bringen, also alleine. Ich war dort nicht irgendwie in einer Burg oder so was, sondern es kam mir in meiner Erinnerung eher wie ein Kellerabteil vor. Aber dort waren sie auch. Dort waren ungefähr vier oder fünf von diesen Kultmitgliedern. Da sie vermummt waren mit Kapuzen und ihren Roben, kann ich Gesichter nicht genau erkennen. Ich weiß aber mein Vater war auch mit dabei. Er hat so etwas nicht getragen. Und sie standen um mich herum und ich kann nicht sagen, es kann sein, dass die Geburt eingeleitet wurde. Auf jeden Fall musste ich – ich weiß noch, dass ich etwas Weißes getragen habe, wie so ein Nachthemd oder Kleid – und ich musste dort stehend dieses Kind, alleine, natürlich unter massiven Schmerzen, auf die Welt bringen. Sie standen mich herum, sie sind auch mich herum gelaufen. Sie haben etwas gemurmelt. Ein Satz, der definitiv gefallen ist, war, dass ich dieses Kind jetzt alleine auf die Welt bringen muss, damit ich überhaupt eine Berechtigung habe, weiter zu leben. Und, nachdem ich es dann irgendwann geschafft habe, dieses Kind geboren habe, ich weiß nicht, wie lange das ging, in dem Flashback waren die Schmerzen ungefähr so anderthalb bis zwei Stunden. Ich kann aber nicht sagen, als es wirklich passierte, wie lange es anhielt, Danach wurde das Baby genommen, wurde irgendwo auf eine Erhöhung draufgelegt, der Kopf wurde abgeschlagen. Ich weiß nicht, was dann mit dem Baby weiter passiert ist. Ich weiß nur, dass sie – und ich weiß nicht, ob ich da selber auch von mitessen musste – aber sie haben meinen Mutterkuchen dann noch verzehrt.

Hast Du zum Abschluss noch ein persönliches Anliegen bzw. eine Botschaft?

Also warum ich hier mitmache, ist im Grunde, weil… Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man weiß, dass einem so was selber widerfahren fahren ist und einfach der Großteil daran nicht glauben kann und man in der Öffentlichkeit, vor allen Dingen von den öffentlichen Medien, als Spinner, als Lügner, als keine Ahnung hingestellt wird. Das ist, ja, ich weiß nicht, das macht einfach mit einem total viel und ist noch mal zu all dem anderen, zu dem Heilungsprozess, der ja auch schon schwer ist, einfach nochmal eine zusätzliche Belastung. Vor allen Dingen, weil man sowieso immer wieder auch, selbst wenn man sich schon so sicher ist, mit sich selber zu kämpfen hat, ob man sich selber glauben kann, weil das ist auch etwas, was die Täter von Anfang an in einen reinlegen, dass man immer an sich zweifelt. Und ich denke, damit die Welt eine Chance hat, sich von Grund auf zu verändern, denn das ist absolut nötig, ist es wichtig, dass der Großteil der Menschen erkennt, worauf dieses System eigentlich basiert und mit was es durchzogen ist und dass das Ausmaß so riesig ist und der Verstand es einfach kaum greifen kann, dass es sich nicht einfach nur um ein paar Randgruppen handelt, sondern dass das, ja, alles durchzieht. Alles. Dass das ganze System, worin wir leben, im Grunde darauf aufgebaut ist, genau auf diesen furchtbaren, schrecklichen Strukturen, wo ich drin groß geworden bin.